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Einer meiner Kunden sitzt in Groningen, Holland. Bei der Konzipierung von Change-Management Maßnahmen für diesen Kunden, war ich Vorort anwesend.
Bevor ich am Ende der Woche von Groningen nach Hamburg zurückgefahren bin, konnte ich es mir nicht nehmen lassen im holländischen Supermarkt „Jumbo“ einzukaufen. Ich liebe es ausländische Supermärkte zu erkunden.
Was kauft man in Holland? Richtig. Käse.
Ich war erstaunt über die gigantische Käsetheke und einer Auswahl, die jeden Rewe wie einen Kiosk aussehen lässt. Mit leuchtenden Augen stürzte ich mich auf die Käseabteilung. Eine halbe Stunde später war ich fertig mit dem Einkauf, aber auch erschöpft. Käse habe ich allerdings nicht gekauft. Wie jetzt, kein Käse?! Wie konnte das passieren?
Ich wollte einfach Käse kaufen. Was mir geboten wurde, war Käse in jeder erdenklichen Variation. Neben den Basics wie Gouda, Tilsiter, Masdamer … etc. kamen noch ca. 20 Goudasorten mit jeweils unterschiedlichen Kräutern hinzu. Ich war so überfordert, dass ich dachte „nicht so schlimm jetzt keine Entscheidung zu treffen, im Zweifelsfall bekommst Du auch bei Rewe Käse“. Wo ist mein Käsewunsch abgeblieben? Was war mit mir passiert?
Der amerikanische Psychologe Barry Schwartz forscht welche Mechanismen sich in uns abspielen, wenn wir dabei sind Entscheidungen zu treffen. Sein Buch „The Paradox of Choice, Why Less Is More“ beschreibt genau das Phänomen, welches mir selbst in Holland widerfahren ist.
Zwei Wissenschaftler haben im Jahr 2000 eine Studie durchgeführt. In kalifornischen Supermärkten wurden Marmeladen Probiertische aufgebaut, mit den jeweiligen Marmeladen, die zum Kauf angeboten wurden.
Tisch A: 24 Sorten Marmelade
- Hier probierten ganze 60% der Kunden eine Marmelade,
- lediglich 3% haben letztendlich auch ein Glas gekauft.
Tisch B: 6 Sorten Marmelade
- Hier probierten nur 40% der Kunden eine Marmelade,
- es kauften aber 30% ein Glas Marmelade.
Die geringere Auswahl hat zu einer 10x höheren Conversion geführt. Kunden treffen anstatt der falschen Entscheidung lieber KEINE Entscheidung.
Bewährte Prinzipien – Neue Medien
Die oben erwähnten Prinzipien sind tief in uns verankert. So funktioniert unser Gehirn. Wenn man möchte, dass die eigenen digitalen Produkte florieren und erfolgreich sind, kommt man nicht drumherum diese Prinzipien zu berücksichtigen.
Wie sieht es auf den Produkten oder Dienstleistungen auf Deiner Website aus? Gibt es große Variationen mit minimalem Unterschied, die nicht klar herausstechen? Bringt die Produktpalette den Kunden dazu sich in Vergleichen zu verlieren? Kostet es viel mentale Energie, um eine Entscheidung zu treffen?
Dein Nutzer hat bei weitem nicht soviel Motivation, um die kleinen Unterschiede deines Produkts oder deiner Dienstleistungen bis ins Detail zu studieren wie Du annimmst.
Heißt das, Du sollst Deine Optionen bewusst gering halten?
Auf den ersten Blick, Ja. Wenn der Kunde dann Interesse zeigt und eine Entscheidung trifft, welches im leicht fällt durch eine selektierte Auswahl, ist er bereit mehr aufzunehmen.
In der Kommunikation geht es darum klar zu sein und den Kunden nicht Entscheidungsmüde (Decision Fatigue) werden zu lassen. Wenn jemand jedoch aktiv nach Optionen sucht, sollten diese für ihn erreichbar sein.
Lass uns die Versandkosten im Checkout als Beispiel nehmen, um zu verdeutlichen was ich meine. Unterschiedliche Versandoptionen sind auf dem ersten Eindruck ein Plus für den Nutzer. Wenn diese jedoch gleich Prominent beworben werden, indem jeweils ein Text pitched, welche Vorteile man daraus hat, fühlt sich der Nutzer schnell überfordert. Wie vermeidet man das Problem?
Specke Deine Optionen nicht ab. Treffe jedoch eine Vorauswahl mit der am häufigst gewählten Versandoption. „Weitere Versandoptionen?“ Könnte unter der angeklickten Versandoption dezent angezeigt werden. Ein Besucher, der sein Paket am nächsten Tag haben möchte und bereit ist mehr zu zahlen, wird diesen Link suchen und finden. Jemand, der sich nicht um eine schnelle Lieferung schert, wird nicht überfordert, ob es nicht doch lohnenswert wäre für 6€ mehr seine Sneaker bereits morgen tragen zu können.
Key Take Aways:
- Versuche den Auswahlprozess für Deine Produkte oder Deine Dienstleistung so simpel wie möglich zu gestalten.
- Entscheide Dich im Zweifelsfall immer dafür Optionen zu entfernen, anstatt den Benutzer eine weitere Variante anzubieten.
- Die entfernte Option sollte einfach aufzufinden sein, ohne zu aufdringlich zu wirken.
- Bei Dienstleistungen kannst Du die minimal unterschiedlichen Service Pakete vorstellen, wenn der Erstkontakt bereits zustande gekommen ist.
- Je präziser, klarer und einfacher Dein Produkt oder Deine Dienstleistung kommuniziert werden, desto kürzer sind die Entscheidungswege für Deine Kunden.
Quellen:
- Barry Schwartz auf Wikipedia
- Das Buch von Barry Schwartz The Paradox of Choice, Why Less Is More
- Keine Lust auf ein ganzes Buch? Der Ted Talk von Barry Schwartz beschreibt das Phänomen unterhaltsam und verständlich in 20 Min.