Blinde User Experience
Damals habe ich Webprojekte mit einer „drauf los“ Mentalität abgewickelt. Der Kunde hat beschrieben was er sich wünscht und was er „gut“ und „nicht so gut“ findet. Das ganze am Beispiel ähnlicher Websites der Mitbewerber. Daraufhin habe ich meinen Input beigesteuert. Daraus haben sich Anforderungen an die Website ergeben. Diese Anforderungen haben als groben roten Faden für das Projekt gedient. Die Anforderungen waren nichts fixes – je nachdem was man wo gesehen hat und „noch besser“ als die bisherige Inspiration fand, wurden Ziele und Umsetzungswege ergänzt. Mal ein gutes, mal ein mäßiges Ergebnis hat diese Herangehensweise mir eingebracht. Die UX ist erst am Ende ersichtlich geworden.
Blinde User Experience funktioniert(e) bedingt
Je einfacher ein Problem ist, desto stiefmütterlicher kann eine Web-Strategie behandelt werden. Wenn wir zehn Jahre zurückdenken, waren die damaligen Anforderungen an eine Website viel primitiver als heute.
Primitive Anforderungen = geringe Komplexität
Für den gängigen KMU’ler war eine Website ein „Nice to have“. Diese hat im Regelfall die Firma und Leistungen vorgestellt. Für eine Zielsetzung (Firma und Leistungen präsentieren) dieser Art kommt man ohne Web-Strategie an das Ziel. Die Trefferquote ist hoch – nicht wegen dem Schützen – sondern wegen der riesigen Zielscheibe.
Die Trefferquote ist hoch – nicht wegen dem Schützen – sondern wegen der riesigen Zielscheibe.
Web / App UX
Heutzutage steht ein Webdesigner vor anderen Problemen. Der Nutzer hat ganz andere Erwartungen an eine Website als damals. Diese gesteigerte Erwartungshaltung geht von beiden Seiten aus, also auch vom Websitebetreiber. Ein Briefing kann mehrere Seiten füllen. Hinzu kommen die ganze Seiten und anderen schönen Apps die der Kunde gut findet. Ohne eine systematische Herangehensweise an diese Probleme wird langfristig keiner glücklich. Genau hier ist der Übergang vom Webdesigner zum UX Designer. Es geht darum eine angenehme und zielführende Nutzererfahrung zu schaffen. Dabei ist es notwendig, das Problem ganzheitlich zu betrachten und alle beteiligten emphatie entgegen zu bringen.
Enter Garretts Model
Garretts Model verbildlicht die Elemente der User Experience sehr schön.
Die Herangehensweise ist hier von innen nach außen.
1. Strategie
Im ersten Schritt legt man fest mit welcher Erwartungshaltung ein Besucher auf die Website kommt und welche Ewartungshaltung der Websitenbetreiber an den Besucher hat.
Erwartung des Users = Buch kaufen
Erwartungs der Website = Bücher verkaufen
2. Anforderungen
Die festgelegte Strategie wird mit spezifschen Anforderungen bestückt. Daraus leiten sich konkrete Akzeptanzriterien ab, auch Definition of Done genannt (DoD).
Akzeptanzkriterien:
- Suche mit Suchvorschlägen
- Vorschläge von ähnlichen Büchern
- One Klick Buy
- E-Book alternative anbieten
3. Informationsarchitektur
Die notwendigen Informationen werden hier strukturiert. Eine Makro-Sicht auf die User Journey hilft Anordnungen zu Hinterfragen und ggf. Ergebnis orientierter zu strukturieren.
4. Die Bones
Die Informationsarchitektur welche anhand der Anforderungen erstellt wurde wird nun sinnvoll arrangiert. Die Informationen werden in Textblöcken, Bildern, Buttons und Navigationselemten angeordnet. Daraus ergibt sich das Skelett der Website.
5. Die Gestaltung des Interfaces
Nachdem das Skelett steht, werden die Elemente ansprechend gestaltet. Dynamische Funktionen und Animationen tragen hier zur positiven User Experience bei.
Spätestens beim 5. Step lässt sich erkennen: Die Gestaltung einer User Interface macht nur einen Bruchteil eines Webprojekts aus. Wichtig ist hier: Jeder Schritt ordnet sich dem voran gegangen Schritt unter. Jede Entscheidung in der Gestaltung soll die davor festgelegte Bones unterstützen. Die Bones muss sich der idealen Darstellung der Informationsarchitektur fügen. Die Informationsstruktur muss alle Anforderungen erfüllen und alles weglassen was es nicht erfüllt … etc.
Fazit
Komplexe Problemstellung an eine Website können mit Garretts Model systematisch angegangen. Die definierten Ziele und Anforderungen leiten einen durch den Prozess. Es wird so viel wie nötig aber so wenig wie möglich erstellt. Ob bestimmte Navigationselemente, Farben und Icons benutzt werden, ist keine Frage des Bauchgefühls mehr. Diese Entscheidungen müssen sich anhand des Konzepts beweisen. Daraus entstehen maßgeschneiderte Lösungen für die Zielsetzung der Website.
Der Unterschied zwischen UX Design und Webdesign schimmert hier durch. Eine ganzheitliche Sicht auf die Ziele des Users und der Website wird gewährleistet.